15 Jahre: 2005 – Eine kleine Maus landet auf dem richtigen Schreibtisch

Heute erfahrt Ihr in einem Interview mit Karin Amann, damals Programmleiterin der Lektoratsbereiche Bilderbuch/Pappbilderbuch bei arsEdition, München, wie mir eine kleine weiße Maus zu meinem ersten Auftrag bei arsEdtion verhalf.

„Für dich tue ich einfach alles“ von Ursel Scheffler
arsEdition 2006, ISBN 978-3760724775
Tilda Marleen Verlag 2013, Enhanced E-Book (mit Sound): EAN: 9783943766097

 

Die Begegnung mit Karin Amann ist eine der Schlüsselszenen meiner beruflichen Laufbahn

Ich hatte dem arsEdition Verlag, wie vielen anderen Verlagen, mein Portfolio geschickt, und sandte, um an mich zu erinnern, regelmäßig meine neuen Grußkarten, die ich damals im Selbstverlag produzierte. Beim Verlag arsEdition hatte ich bisher nur persönlichen Kontakt zum Geschenkbuch-Lektorat, bis zu diesem Tag, als eine meine Grußkarte mit einer kleinen weißen Maus auf Karin Amanns Schreibtisch landete…

Anna Karina Birkenstock: Karin Amann, können Sie sich daran erinnern, wie die Karte mit der Maus auf Ihrem Schreibtisch gelandet ist? Wie kam es dazu?


Die Grußkarte mit der kleinen Maus von Anna Karina Birkenstock landete zur Unterschrift auf meinem Schreibtisch, da wir einer Kollegin Wünsche für ihren Elternzeit mitgeben wollten.

Ich war sofort von dem Bild verzaubert und da ich immer auf der Suche nach neuen, besonderen Illustrations-Stilen war, ging in Gedanken gleich meine Programmplanung durch: Für welches Projekt könnte ich Frau Birkenstock engagieren? Ein Projekt fiel mir ein, für das diese neue Künstlerin, und ihre Maus, passen könnte.

Einen Illustrator zu „entdecken“, ihm oder ihr den Markt zu öffnen, das kreative Potenzial freizusetzen und gemeinsam das allererstes Buch zu realisieren, war für mich immer ein sehr erstrebenswertes – und glücklicherweise oft erreichtes – Ziel. Doch zuerst einmal musste die Geschäftsführung und der Vertrieb überzeugt werden. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung wusste ich (beim RBV hatte ich Doris Dörrie und Julia Kaergel zusammengebracht), dass dies am besten gelingen würde, wenn ich die Newcomerin im Projekt mit einer Bestsellerautorin (in diesem Fall: Ursel Scheffler) zusammenbringen würde, denn auch der Buchhandel gibt eingeführten Stars immer Vorrang.

„Für dich würd‘ ich zehn Tonnen Erbsen zählen und eine ganze Herde Pferde stehlen“ In humorvollen Reimen verfasst Ursel Scheffler Ihre Liebeserklärung der kleinen Maus.

 

AKB: Ich war unglaublich aufgeregt und habe all mein Herzblut in den Entwurf für „Für dich tu ich einfach alles“ von Ursel Scheffler gesteckt. Ein Bilderbuch bei arsEdition war, seit dem ich das „99. Schaf“ (Isabel Abedi und Dagmar Henze) gesehen hatte, mein Traum.

Unser erstes gemeinsames Projekt „Für dich tu ich einfach alles“ von Ursel Scheffler wurde dann zwar „nur“ kleines Geschenkbuch, aber es ging ja weiter.

Wie kamen Sie auf die Idee, mich danach für ein Pappbilderbuchprojekt einzusetzen?

Der „Buchmarkt für die Kleinsten“ war damals fest in der Hand weniger Verlage, die alle mit den gleichen Künstlern zusammenarbeiteten. Dies führte zu einer Austauschbarkeit der Bücher, sogenannter me-too-Produkte, die im Handel gar nicht gut ankam. Uns war klar: ein frischer Wind ist gefragt und „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“! Einen malerischen, fast pastosen Stil in Akryltechnik, der Birkenstocks Bilder auszeichnet, gab es damals nicht im Buchbereich für die Altersgruppe der 0-3jährigen. Wir wussten nicht, ob die Käufer (Eltern, Großeltern sowie im Einkauf die Buchhändler) positiv darauf reagieren würden, doch ich war von der Qualität des Stils absolut überzeugt und der Wunsch nach Innovation war groß. Außerdem setzte ich auf die starke emotionale Ansprache der Figuren Birkenstocks, die den Betrachter direkt ins Herz trifft – das musste doch klappen!

2014

AKB: Das war der Beginn einer überaus erfolgreichen Zusammenarbeit – insgesamt sind bisher 56 Titel bei arsEdition erschienen, es wurden über 600.000 Bücher verkauft, einige Bücher wurden auch übersetzt. Das später aus der „Was kitzelt dich am Näschen“-Reihe entstandene Babyalbum „Willkommen mein Schatz“ hält sich seit Jahren in der Amazon Top Ten der Alben und ist insgesamt derzeit auf Platz 426 aller verkauften Bücher. Da haben Sie einen guten Instinkt gehabt und ich bin überaus dankbar, für diese Zusammenarbeit!

Was kitzelt dich am Näschen?

Streichelverse, 2008/2015

Alle Charaktere aus 12 Jahren Zusammenarbeit mit ars versammelt…

Sie haben viele Jahre als Lektorin und Programmleiterin für Vorlese- und Erstlesebücher, Taschenbücher, Kinderkunstbücher, Bilderbücher, digitale Produkte und den Kleinkindbereich gearbeitet, erst in verschiedenen Lektoraten beim Ravensburger Buchverlag, anschließend bei prestel junior und danach über 14 Jahre für den Münchner Kinder- und Geschenkbuchverlag der Bonniergruppe, arsEdition. Was ist die besondere Herausforderung bei Pappbilderbüchern?
Die besonderen Herausforderungen sind:
1. Die Zielgruppe (0-3jährige) ist nicht die Käufergruppe (Eltern, Großeltern, Schenker, Paten etc.)
2. Im Unterschied zu Produktentwicklungen anderer Buchsegmente sind bei Kleinkindprodukten Sicherheitskriterien, Spielzeugrichtlinien und TÜV-Berichte die absolute Grundlage der Entwicklung, d.h. in keinem anderen Verlagsbereich arbeitet das Lektorat so engmaschig mit dem Einkauf und der Herstellungsabteilung zusammen und stellt sich täglich neuen Herausforderungen hinsichtlich Material (auch Recyclingüberlegungen/Ökopapier etc.), Ausstattung und Produktionsabläufen (z. B. wenn EU-Gesetze geändert werden)
3. Es gilt immer wieder Innovationen auf den Markt zu bringen – trotz des stark eingeschränkten Themenspektrums (Erfahrungswelt der 0-3jährigen), der nötigen altersgerechten Umsetzung, die alle Kriterien der Entwicklungspsychologie (auch die Bildungspläne der KITAs) berücksichtigen muss, d.h. konkret stellt sich die Frage: wie kann 2018 ein Baggerbuch neu, anders, innovativ, sensationell sein, obwohl das Thema schon tausende Mal umgesetzt wurde?

AKB: Was macht für Sie ein gutes erstes Buch für die Allerkleinsten aus und, später, ein gutes Bilderbuch?
Diese Frage kann nicht in ein paar Zeilen beantwortet werden! Doch nur so viel: Ein „gutes erstes Buch für die Allerkleinsten“ ist für mich ein Buch, das von dem kleinen Leser immer wieder hervorgeholt, angesehen, bespielt, herumgetragen, angeknabbert, befühlt und bestaunt ist. Ein absolutes Lieblingsbuch, dem man das „zu Tode geliebt werden“ ansieht! Tast- und Spielbücher mit besonders hochwertiger Ausstattung, die die Sinne ansprechen, hinsichtlich Sprache und ästhetischer Gestaltung entwicklungspsychologischen Kriterien folgen, sind perfekt. Beim Bilderbuch überzeugt eine Dramaturgie, die dem Film gleichzusetzen ist, eine Illustration, die eine weitere Ebene zum Text hinzugibt (und diesen nicht 1:1 wiedergeben) sowie eine Ästhetik, die den Betrachter in neue Welten entführt.

AKB: Was bedeutet für Sie Lesebegeisterung in diesem Segment?

Am besten ist es, wenn Pappbilderbücher als auch Bilderbücher humorvoll sind (z.B. „Oho, wer geht denn da aufs Klo?“ von Thorsten Saleina oder Bilderbücher von Axel Scheffler/Julia Donaldson) und dieser Humor auch die Erwachsenen anspricht. Denn sobald diese ebenfalls Spaß mit dem Buch haben, wird gerne und oft vorgelesen – dadurch erfahren Kinder kostbare Zuwendung und erleben ein positiv besetztes Vorlese-Ritual, das den Grundstein für die spätere, eigene Lesebegeisterung legt.

 

AKB: Jedes Jahr gibt es unglaublich viele Neuerscheinungen. Gerade im Pappbilderbuchbereich unterscheiden sich die Stilrichtungen extrem, es gibt sehr niedliche, bunte Bücher aber auch sehr reduzierte, grafische. Wie findet man „das Richtige“ für sich und seine Kinder?
Die Auswahl an Kleinkindbüchern ist im deutschen Buchhandel wirklich einmalig und so gut wie sonst nirgendwo auf der Welt. Bei der Kaufentscheidung gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, nehmen Sie das, was Sie anspricht und begeistert und wenn es auch ihrem Kind gefällt, haben Sie alles richtig gemacht!

 

AKB: Haben Sie ein Lieblingsbuch?
Eines? Ich habe viele … Doch eines begeistert mich seit Jahren: Die Werkstatt der Schmetterlinge von Wolf Erlbruch und Giocanda Belli (Peter Hammer Verlag).

AKB: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Über Karin Amann


Karin Amann studierte in München und Wien (Kunstgeschichte/Kunst/Pädagogik), arbeitete in dieser Zeit als Museumspädagogin, Ausstellungsmacherin sowie als Reiseleiterin bei Studiosus. 1992 startete sie ihre Verlagskarriere als Lektorin bei dem Ravensburger Buchverlag, wechselte dann zu prestel jr. und übernahm 2002 die Programmleitung Bilderbuch/Pappbilderbuch des Münchner Verlages arsEdition. Als erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchspezialistin steht sie für innovative Produkte (vom Stoffbuch bis zu apps) und entwickelte eine große Bandbreite von literarischen bis kommerziellen Titeln. Zu ihren Erfolgen gehören preisgekrönte Bücher u. a. von Doris Dörrie, Kveta Pacovska, Herbert Rosendorfer oder G. Ondaatje, Debüts von Illustratoren wie Anna Karina Birkenstock, Sybille Hein, Julia Kaergel, Thorsten Saleina oder Britta Teckentrup sowie die Akquise internationalen Bestsellertitel. Für zahlreiche Publikationen hat Frau Amann (unter Pseudonym) die Autorenschaft übernommen und war ebenso als Übersetzerin tätig. Vor kurzem kehrte Frau Amann zu ihren Wurzeln zurück, ist wieder in den Bereichen Kunst und Kulturmanagement aktiv und geht ihrer Leidenschaft der Fernreisen nach.

2 Kommentare

  • Wie Helmut Spanner es mal schrieb, ist die hohe Kunst im Pappbilderbuch die Dreidimensionalität der gerade zu entdeckenden Welt in die erste Begegnung der zweidimensionalen Bildwelt zu übersetzen. Deswegen ist Realität so wichtig und keine abstrakte Kunst! Was ich mir wünschen würde und Du ja auch schon angegangen bist, sind mehr Themen als Fahrzeuge, Bauernhof und Tiere.

  • Oh, wie schade, dass ich dieses wunderbare Gewinnspiel verpasst habe. Ich freue mich sehr darüber, das Karin Amann hier so einen guten Riecher hatte. Die Farbigkeit und die liebevollen Details in den Bildern von Ihnen, Frau Birkenstock, liebe ich sehr. Beim nächsten Gewinnspiel in … möglicherweise dann fünf Jahren … würde ich mir das Plakat zur Inspiration für mein Schreibbüro wünschen. Ganz herzliche Grüße, Barbara Rose (Kinderbuchautorin)

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